MERICS China Forecast 2020
Die Aussichten für eine Verbesserung der europäisch-chinesischen Beziehungen sind düster
2020 wird ein arbeitsreiches Jahr in den europäisch-chinesischen Beziehungen. Peking ist im Frühjahr nicht nur Gastgeber eines EU-China-Gipfels, sondern auch eines 17+1-Treffens mit den Staats- und Regierungschefs der zentral- und osteuropäischen Länder. Im September wird der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping dann in Leipzig zum Gipfeltreffen der Regierungschefs aller 27 EU-Staaten erwartet. Dieses findet unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft statt. Die europäischen Regierungen stehen vor einem schwierigen Balanceakt: Sie müssen ihre politischen Werte gegenüber einem immer selbstbewusster auftretenden China verteidigen. Gleichzeitig wollen sie an der lukrativen wirtschaftlichen Zusammenarbeit festhalten.
Werden Europa und China 2020 in der Lage sein, ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen? Und welche neuen Trends werden das chinesisch-europäische Verhältnis prägen? Um einige Antworten zu erhalten, hat MERICS eine Umfrage unter rund 150 China-Experten und Vertretern von Regierungen, Think Tanks, Industrie und Zivilgesellschaft in Europa gemacht. Die Ergebnisse werden heute im Rahmen der MERICS China Forecast 2020-Konferenz in Berlin vorgestellt und von führenden China-Experten aus verschiedenen Teilen der Welt diskutiert.
Es liegt an den Europäern, das europäisch-chinesische Verhältnis 2020 voranzutreiben
Der Umfrage zufolge zeigten sich die befragten Experten grundsätzlich positiv über die Aussichten, dass der Gipfel in Leipzig zu einer Stärkung des europäischen Zusammenhalts gegenüber China beiträgt. 59 Prozent halten dies für wahrscheinlich, vier Prozent für sehr wahrscheinlich. 37 Prozent derjenigen, die an der Umfrage teilgenommen haben, erwarten jedoch keinen Durchbruch beim Gipfel in Leipzig.
Weniger als ein Drittel der Befragten (27 Prozent) rechnet damit, dass es China und der EU noch in diesem Jahr gelingt, ein Investitionsschutzabkommen (CAI) abzuschließen. Genau dies aber dürfte ganz oben auf der Agenda von Bundeskanzlerin Angela Merkel für die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte stehen.
Interessanterweise wollen nur 33 Prozent der Befragten, dass das traditionelle EU-Führungsduo Frankreich und Deutschland eine gemeinsame europäische China-Politik voranbringt. Mehr als 60 Prozent bevorzugen die EU-Kommission in dieser Rolle.
Was ist notwendig, um die Beziehungen zu China zu verbessern?
Rund 45 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Europas Abhängigkeit von chinesischer 5G-Technologie die größte Herausforderung darstellt, die mit Chinas Aufstieg zur Digitalmacht einhergeht. 43 Prozent halten es wiederum für notwendig, die europäische Industriepolitik zu überarbeiten, um künftig besser mit Chinas Staatskapitalismus mithalten zu können (26 Prozent fordern eine Veränderung in der Forschungs- und Innovationspolitik, 15 Prozent einen Wechsel in der Handelspolitik und nur sieben Prozent eine überarbeitete Menschenrechtspolitik).
Über die Ergebnisse der Umfrage diskutieren im Rahmen der MERICS China Forecast-Konferenz in Berlin heute u.a. der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Norbert Röttgen, und François Godement, der auch das französische Außenministerium berät.